......und was, wenn ich in einem Auto ein Flußufer entlang fahre, und plötzlich läßt sich das Auto nicht mehr richtig steuern, und das Auto stürzt ins Wasser, und ich versuche und versuche, herauszukommen, aber ich kann nicht und ertrinke, und was, wenn ich in einem Auto ins Wasser stürze und es gelingt mir, herauszukommen, und ich versuche, die andere Leute im Auto zu retten, aber es gelingt mir nicht und sie ertrinken alle, und was, wenn ich eines Tages merke, daß sich meine Persönlichkeit verändert hat, und ich mich nicht mehr ausstehen kann, und was, wenn ich zusammen mit Freunden bin und jemand einen Witz erzählt, und alle anderen sich darüber totlachen aber ich den Witz einfach nicht kapieren kann, und was, wenn jemand Uran kauft und eine Atombombe baut, denn ich habe gehört, daß man Uran ganz leicht in der ehemaligen Sowjetunion kaufen kann, und wenn jemand so etwas machen wollte, um ein Atomkrieg anzufangen, dann könnten wir einfach nichts dagegen tun, und wenn so etwas passieren würde, wäre ich mutig oder würde ich mich ganz schlecht benehmen, und was, wenn mein Gehirn geschädigt wird durch Krankheit oder Altersschwäche, und ich merke langsam, daß ich vergeßlich werde, daß ich mich nicht mehr so gut konzentrieren kann, daß ich nicht mehr so klar denken kann, und was, wenn mein Gehirn geschädigt wird und ich gar nichts davon merke, bis andere Leute mich darauf aufmerksam machen, und was, wenn ich immer weiter Kunst mache, aber niemals berühmt werde und nie eine gute Kritik kriege und niemals Geld verdiene, und nach zwanzig Jahre wird mir klar, daß das Ganze nur Zeitverschwendung gewesen ist, und was, wenn ich meine Ziele mein ganzes Leben lang mit aller Kraft verfolge, und später erkenne ich, daß alles sinnlos war, und ich mir besser eine schöne Zeit hätte machen sollen, und was, wenn ich nicht gegen Ungerechtigkeit in der Welt protestiere, weil ich denke, daß protestieren nichts nützt, aber eigentlich wäre vollkommene Gerechtigkeit möglich, wenn nur mehr Leute sich bemühen würden, und was, wenn jemand in meiner Familie stirbt und ich es mir nicht leisten kann, zur Beerdigung zu fahren, und was, wenn ich jemanden auf der Straße liegen sehe, der zusammengeschlagen wurde und ich nichts mache und, wie alle anderen, einfach vorbeilaufe, obwohl ich weiß, daß ich ihm helfen sollte, und was, wenn ich zusammen-geschlagen auf der Straße liege, und die Leute einfach an mir vorbei laufen, ohne mir zu helfen, und was, wenn ich alt werde und ich an mein Leben zurückdenke und ich bedaure alles, was ich in meinem Leben gemacht habe, und was, wenn ich eines Tages bemerke, daß ich viel zu viel trinke, aber wenn ich versuche, damit aufzuhören, gelingt es mir nicht, und was, wenn ich Leute zum Abendessen einlade, aber vergessen habe, einzukaufen, so daß ich überhaupt nichts zu Essen anbieten kann, und was, wenn ich eine unwiderrufliche Entscheidung treffen muß, und ich überlege es mir und endlich entscheide ich mich, und kurz danach wird mir klar, daß ich mich anders hätte entscheiden sollen, und was, wenn......

Sorgen: ein Auszug aus dem Text

Sorgen #1, Kunstverein Kreis Gütersloh, 1997

Sorgen wurde in allen 27 Fenstern des Kunstvereins installiert. Der Text wurde auf selbstklebenden Folienstreifen gedruckt und zwischen die Doppelfenster an allen vier Seiten der Fensterlaibung fortlaufend angebracht. Die Arbeit wurde nur sichtbar, wenn der Besucher durch das Fenster schaute. Der Text hatte keine Anfang oder Ende. In jedem Fenster lief ein Teil von den endlosen Sorgen durch.

Sorgen #2, Stadtkunst, Bonn 2002

Sorgen wurde mit Edding direkt auf die Lüftungsfenster einer Glasbrücke zwischen den zwei Gebäuden des Kaufhofs in Bonn geschrieben.